Verlagsgruppe News / 18.06.2008 / 13:48 / OTS0213 5 II 0237 NES0004

Brisante Stasi-Affäre im Heeres-Abwehramt.
Utl.: Pensionierter Mitarbeiter soll für DDR-Geheimdienst spioniert
haben.
Wien (OTS) - Das Nachrichtenmagazin NEWS enthüllt in seiner am
Donnerstag erscheinenden Ausgabe eine Stasi-Affäre beim militärischen
Inlandsnachrichtendienst, dem Heeres-Abwehramt. Durch eine
Privatanklage eines pensionierten Mitarbeiters des Dienstes werden
jetzt noch nie dagewesene Einblicke in das Innerste des Abwehramtes
offenbar.

   Hintergrund: Das Abwehramt hatte dem deutschen Militärischen
Abschirmdienst (MAD) gemeldet, dass der Verdacht bestehe, dass ein
früherer Mitarbeiter des Abwehramtes für das DDR-Ministerium für
Staatssicherheit tätig gewesen sei. Dieser Ex-Mitarbeiter sei in
weiterer Folge vom russischen KGB und später von dessen
Nachfolgeorganisation SWR übernommen und geführt worden. Über die
"Einbindung alter Seilschaften auch aus dem Ausland" habe der Mann
versucht, "den Dienstbetrieb des Abwehramtes nachhaltig zu stören."

   Dem pensionierten Mitarbeiter, der der Stasi-Spionage verdächtigt
wird, wurde diese geheime Meldung allerdings zugespielt. Ob die
undichte Stelle im Abwehramt oder im MAD sitzt, ist derzeit noch
nicht bekannt.

   Der Mann, der in den 90er Jahren als Informant der FPÖ in der
Briefbomben- Causa in Erscheinung trat, erstatte aufgrund der
Beschuldigungen jedenfalls Privatanklage wegen des Verdachts der
üblen Nachrede. Für ihn gilt die Unschuldsvermutung.

   Im Zusammenhang mit dieser Causa gehen die Wogen jetzt hoch: Der
neue Chef des Abwehramtes, Wolfgang Schneider, geht die
Altlastensanierung in seinem Dienst offenbar offensiv an und greift
durch. Zuletzt sollen mehrere altgediente Kader das Abwehramt
verlassen haben müssen.

Rückfragehinweis:
   Sekretariat NEWS
   Chefredaktion
   Tel.: (01) 213 12 DW 1103

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OTS0213    2008-06-18/13:48

181348 Jun 08



 
 
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DER SPIEGEL 44/1990 vom 29.10.1990,
Seite 32b-33a
Spionage

Schlimme Schlappe
===================

Nach der Enttarnung des Stasi-Spions Krase wächst die Kritik am MAD.
Bundesverteidigungsminister Gerhard Stoltenberg sagte kein einziges Wort. Im Bonner Verteidigungsausschuß mußte am
Mittwoch voriger Woche sein Staatssekretär Karl-Heinz Carl den Volksvertretern Rede und Antwort stehen.

Es war ein unangenehmer Auftrag für den Beamten. Aufgebrachte Abgeordnete verlangten Aufklärung über die schlimmste
Schlappe des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) der Bundeswehr: In seiner Spitze saß, mußte die Hardthöhe einräumen,
jahrelang ein Stasi-Agent.

Dem Ost-Berliner Ministerium für Staatssicherheit war es 1973 gelungen, Joachim Krase einzukaufen. Der unauffällige
Heeresoffizier, MAD-Mitarbeiter seit 1967, wurde Erich Mielkes Spitzenagent im Kölner Militär-Geheimdienst: Chef der
Spionageabwehr, von 1980 bis 1984 gar MAD-Vize.

Staatssekretär Carl hatte im Verteidigungsausschuß noch eine andere schlechte Nachricht zu überbringen - zumindest
für die alten Seilschaften des ehemaligen Verteidigungsministers Manfred Wörner (CDU). Carl zerstörte die schöne
Legende, der Christdemokrat sei 1984 in der Wörner/Kießling-Affäre Opfer einer Stasi-Intrige gewesen.

Kaum war die Agententätigkeit des 1988 an Krebs gestorbenen MAD-Obristen --- S.33 bekannt geworden (SPIEGEL 43/1990),
hatten Wörner-Spezis über konservative Blätter einen plumpen Entlastungsangriff gestartet: Mielkes Maulwurf habe im
Sommer 1983 Wörners Generalsaffäre eingefädelt, um den Minister zu stürzen und damit die konservative Bonner Regierung
Kohl zu "destabilisieren".

Der schneidige Hardthöhenchef Wörner hatte Ende 1983 den Stellvertretenden Nato-Oberbefehlshaber, den deutschen Vier-
Sterne-General Günter Kießling, wegen angeblicher Homosexualität entlassen. Der Vorwurf, Kießling sei ein
Sicherheitsrisiko, erwies sich als haltlos. Kleine MAD-Beamte hatten in windigen Papieren Gerüchte aus dem Nato-
Hauptquartier zu Erkenntnissen hochgejubelt.

Wörner versuchte bis zuletzt zu beweisen, was nicht zu beweisen war. Er empfing zwielichtige Zeugen aus der Schwulen-
Szene im Ministerium. Am Ende war Kießling rehabilitiert, und Helmut Kohl zwang seinem Skandalminister ein
handschriftliches Rücktrittsgesuch ab - nur, um es dann in den Papierkorb zu werfen. Clou der schönen Wörner-Legende:
Mit seinem damals heftig kritisierten Festhalten an Wörner habe Kohl - ohne es zu wissen - ein von Krase gesteuertes
Stasi-Komplott kaputtgemacht.

Doch den unbeholfenen Versuch, den Täter Wörner im nachhinein als Stasi-Opfer zu präsentieren, machte Carl zunichte.
"Nach Aktenlage und dem Bericht des damaligen Untersuchungsausschusses", stellte Stoltenbergs Staatssekretär
unmißverständlich klar, "gibt es keine Anhaltspunkte" für die Behauptung, Krase habe die peinliche Angelegenheit
inszeniert.

Der späte Versuch, Wörner Absolution zu erteilen, war von Anfang an wenig erfolgversprechend. Schließlich war es
Krase, der als MAD-Vize im August 1983 angeordnet hatte, die Schnüffelaktion gegen Kießling zu stoppen. Möglich, daß er
dabei im eigenen und im Interesse seiner Ost-Berliner Auftraggeber handelte: Der Agent mußte fürchten, im Minenfeld des
Skandals selbst hochzugehen.

"Minister kommen und gehen", urteilt ein bundesdeutscher Abwehrspezialist, "nur für den Sturz eines Ministers opfern
die Profis vom MfS doch nicht ihren besten Mann. Das wäre reichlich kunstfehlerhaft gewesen."

Immerhin war Krase über sämtliche Abwehrmaßnahmen bundesdeutscher Dienste bestens informiert. Der Spion arbeitete
besonders eng zusammen mit einem Kollegen aus dem Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz: Hansjoachim Tiedge, Chef der
dortigen Spionageabwehr - und später Überläufer zur Stasi. Allerdings, so Carl, "ist auszuschließen", daß Tiedge vom
Nebenjob des anderen wußte.

Der von Krase angerichtete Schaden, teilte Carl den Parlamentariern mit, ist "als sehr hoch zu bewerten". So lieferte
der Kölner Maulwurf auch "geheime Mitarbeiter" des MAD ans Messer.

Hinter dem wolkigen Begriff verbirgt sich ein weiterer Flop des seit Jahren von Krise zu Krise stolpernden Militär-
Dienstes. Die "geheimen Mitarbeiter" waren ganz normale Soldaten. Sie waren von der Staatssicherheit angesprochen
worden, als sie Verwandte in der DDR besuchten. Nachdem sie die Anwerbungsversuche pflichtgemäß daheim gemeldet hatten,
wurden sie vom MAD als Aushilfsspäher immer wieder in die DDR geschickt. Manche von ihnen, so Carl, "konnten durch den
Gegner festgenommen werden". Aufgrund der Hinweise, die der Verräter gegeben hatte, wanderten die Ahnungslosen direkt
in den DDR-Knast.

Mit solchen wenig erfolgreichen Aktionen wilderte der Pannen-Dienst der Bundeswehr auch noch im Revier des Pullacher
Bundesnachrichtendienstes. Dort hat man schon seit Jahren keine hohe Meinung von den Spähern in Uniform.

Wohl zu Recht. So wußten die Pullacher bereits vor einem halben Jahr über die MAD-Altlast Krase Bescheid. Der Militär-
Geheimdienst aber, so der zuständige Staatssekretär Carl, erfuhr erst im August durch Überläufer, daß die Stasi
jahrelang den MAD - und damit die ganze Bonner Spionageabwehr - im Griff hatte.
DER SPIEGEL 44/1990
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